Isolierter Processus anconeus

Goldimplantation beim Hund

So fängt es mit der Goldimplantation an:
Auf unserer Facebook-Seite haben wir das Röntgenbild eines Ellbogengelenkes gepostet. Der Hund lahmt seit Wochen. Wir haben Sie danach gefragt, welches Problem dieser Hund haben könnte. Es kamen viele richtige Hinweise. An dieser Stelle wollen wir das „Rätsel“ nicht nur lösen, sondern auch erklären, welche Möglichkeiten bestehen, um das Problem zu vermeiden, zu erkennen, zu operieren oder auch alternativ zu behandeln.

Einsatzmöglichkeiten der Goldimplantation beim isolierten Processus anconeus/"IPA"

In den letzten Jahren sehen wir in unserer Praxis immer häufiger Ellbogenerkrankungen als Lahmheitsursache, besonders bei mittelgroßen und großwüchsigen Rassen.

Unter dem Oberbegriff „Ellbogengelenksdysplasie – ED“ werden Veränderungen zusammengefasst, zu denen u.a. der isolierte Processus anconaeus (IPA), der fragmentierte Processus coronoideus (FPC), die Osteochondrosis dissecans (OCD), die Stufenbildung zwischen Speiche und Elle sowie Fehlbildungen der Gelenkflächen zählen. 

Das Ellbogengelenk besteht aus drei verschiedenen Knochenanteilen: Oberarm, Elle und Speiche. Eine der Gelenkflächen wird von der Gelenkwalze des Oberarms gebildet. Diese Gelenkwalze wird vom oberen Anteil der Elle umgeben. Dieser Anteil weist eine halbmondförmige Aussparung auf, mit dem Processus anconeus als zapfenförmigen Fortsatz.

Enstehung, Symptome und Diagnostik

Der IPA tritt bei Hunden im Alter von vier bis fünf Monaten während des stärksten Wachstumsschubes auf. Männliche Hunde sind häufiger betroffen, da sie in der Regel schneller wachsen als weibliche Hunde. Die Erkrankung kann sowohl ein- als auch beidseitig vorkommen.

Das Auftreten der ersten Symptome kann unterschiedlich ausfallen, daher wird bei vielen Hunden die Diagnose erst relativ spät gestellt. 

Die betroffenen Hunde zeigen eine ein- oder beidseitige, zeitweise oder auch ständige Lahmheit von unterschiedlicher Deutlichkeit. Gelegentlich wird als Ursache der Lahmheit auch ein leichtes Trauma beobachtet (Welpe ist z.B. die Treppe hinunter gefallen).

Die erkrankten Hunde zeigen häufig eine Auswärtsstellung der Vorderpfoten, die Ellbogengelenke werden dabei eng am Körper gehalten. Das kann dann wie eine X-Bein Stellung des Vorderfußes aussehen. Beim Betasten ist das Gelenk schmerzhaft.

In chronischen Fällen ist das Gelenk durch die Arthrosen verdickt und es kann bei Bewegung ein sogenanntes „Schneeballknirschen“ bemerkt werden. Zusätzlich ist der Bewegungsmöglichkeit des Ellbogengelenkes eingeschränkt, Die Streckung kann gehemmt sein. Bei längerer Lahmheit kann sich die Muskulatur des Oberarms zurückbilden.

Als auslösender Mechanismus wird eine Reifungsstörung des Knochens verantwortlich gemacht, wobei bem IPA der Knorpel der Wachstumsfugen betroffen ist. Die gelenkbildenden Knochen wachsen ungleichmäßig schnell, es kommt zur Überlastung besonders beanspruchter Bereiche im Gelenk, mit der Folge einer Schädigung oder Ablösung von Knorpel- und/oder Knochenteilen.

Der Processus anconaeus verliert an Elastizität und kann wegen auf den Ellenbogen wirkenden Traumata (Treppensturz etc.) abreißen. Die daraus resultierende Ellenbogeninstabilität und das sich nun losgelöst im Gelenk bewegende abgerissene Knochenstück sind schmerzhaft. Nachfolgend kommt es zu starken arthrotischen Veränderungen.

Genetik, Überfütterung

Für den IPA sind genetische Veranlagungen (ähnlich wie bei der Hüftgelenksdysplasie) nachgewiesen. Das Auftreten des IPA kann durch eine Verbesserung der Haltungsbedingungen beeinflusst werden. Dazu gehören vor allem Fütterung und Bewegung. Die Hunde dürfen ab einem Alter von 3 Monaten keinesfalls „überfüttert“ werden und das Zufüttern von Mineralstoffpräparaten sollte unterbleiben. Die „kontrollierte“ Fütterung führt zu einer langsameren, gleichmässigeren Wachstumsgeschwindigkeit und vermindert damit das Risiko von „Wachstumserkrankungen“, die im Alter von drei bis sieben Monaten auftreten. Für die frühzeitige Diagnose ist es wichtig, lahmende junge Hunde gründlich zu untersuchen (incl. Röntgen!).

Therapie

Ein IPA kann konservativ und chirurgisch behandelt werden. Konservative Maßnahmen sind allerdings nur auf Junghunde im Alter bis zu vier Monaten beschränkt. Durch Käfigruhe muß es dann spätestens nach vier Wochen zu einer Verwachsung des Processus anconaeus mit der Elle gekommen sein. Bleibt diese Verwachsung aber aus, ist eine chirurgische Intervention unumgänglich.

Die operativen Behandlungsmethoden des IPA beruhen zum einen auf der Entfernung des abgelösten Knochenstücks und zum anderen auf der chirurgischen Befestigung des Processus anconaeus an der Elle.

Die allgemein empfohlene Therapie ist die Entfernung des isolierten Processus anconaeus mit dem Ziel, die von dem losgelösten Knochenstück ausgehende Reizung auszuschalten. Dadurch kommt es in der Mehrzahl der Fälle zunächst auch zu einer Verbesserung der Beschwerden. 

Die Langzeitergebnisse sind jedoch nicht befriedigend, da bei vielen Patienten später erneut eine Lahmheit auftritt. Außerdem entwickeln viele operierte Gelenke eine fortschreitende Arthrose. Eine Ursache dafür ist die sich aufgrund des Fehlens des Processus anconaeus ergebende Gelenkinstabilität.

Aufgrund der überwiegend schlechten Langzeitergebnisse nach Entfernung des isolierten Knochenstücks wird daher versucht, den Processus anconaeus zu erhalten. Neben der Verschraubung des Knochenfortsatzes ist zusätzlich eine Durchtrennung der Elle im oberen Drittel erforderlich, um eine Verwachsung des Processus anconaeus zu erzielen.

Die Erhaltung des Processus anconaeus bringt jedoch nur bei frühzeitiger Behandlung gute Ergebnisse. Liegen bereits deutliche Arthrosen vor, ist die Durchführung dieser Therapie nicht sinnvoll und das Knochenstück sollte besser entfernt werden.

Wie geht es jetzt mit unserem Facebook-Fall weiter?

Wir operieren den IPA nicht. Warum nicht? Wir sind der Meinung, dass man solche Eingriffe nur durchführen sollte, wenn man dies regelmässig tut. In der Humanmedizin nennt man das Mindestfallzahl. Krankenhäuser, die nicht mindestens X Gelenke im Jahr operieren, dürfen dies auch nicht tun. Häufig liegt diese Zahl bei 50 Gelenken im Jahr. In der Tiermedizin gibt es diese Beschränkung nicht. Trotzdem sind wir der Meinung, ein solcher Patient gehört bestmöglich versorgt, von einem Kollegen, der diese Mindesfallzahl erreicht.

Daher haben wir den Patienten an einen Spezialisten in Hessen überwiesen.

Er wird entscheiden, welche chirurgische Vorgehensweise sinnvoll ist. Der Röntgenbefund spricht allerdings dafür, dass eine Verschraubung nicht mehr möglich ist, und der IPA entfernt werden muss. Das wird aber leider dazu führen, dass die Arthrosebildung besonders stark ausfallen wird. Danach kommt der Patient zu uns zur Weiterbehandlung zurück.

Nachbehandlung

Sie ist wesentlich für den Erfolg. 

Üblich ist es, über 2 Wochen einen Stützverband anzulegen, der alle 2-3 Tage gewechselt wird. Während dieser Zeit ist eine strikte Bewegungseinschränkung erforderlich.

Es besteht für 4 Wochen Leinenzwang. Anschließend wird ein langsames Aufbautraining durchgeführt. Die volle Belastung sollte aber erst nach 5-6 Monaten erfolgen.

Leider (noch) nicht üblich ist der Einsatz von Goldimplantaten

Gerade aufgrund der unbefriedigenden Langzeitergebnisse des bislang üblichen Verfahrens (Arthrose, erneute Lahmheit) sind aber gerade Goldimplantate, wenn sie möglichst kurzfristig nach der Operation eingesetzt werden, hervorragend geeignet, weiterer Lahmheit und beginnender Arthrose vorzubeugen.

Aus diesem Grund ist geplant, dem Patienten schon in wenigen Wochen in Schweinfurt Goldimplantate einzusetzen. Hierbei bieten sich neben den von uns überwiegend eingesetzten Berlock-Goldimplantaten auch die im Gelenk selbst einsetzbaren Berlock-Micro-Implantate an. Eine gerade fertig gewordene Studie der Universtität Bern hat den sicheren Einsatz dieser BMI im Gelenk bestätigt.

Fortsetzung folgt.

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